Der Springbrunnenbauer

„Und hier ist das ganz Besondere dieser Villa“, sagte der Immobilienmakler mit einem verschmitzten Lächeln und zwinkerte der Frau zu. Der Mann rieb sich aufmerksam die Hände.
Der Makler stiess mit einem heftigen Schwung, der sein ganzes Gewicht in Anspruch nahm, zwei Torflügel zum Garten auf, von dem sommerlicher Wind hereindrang. Selbstsicher wies er seine Klienten mit einer Geste an, hinauszutreten.
„Wow!“, rief die Frau aus und der Mann blinzelte ungläubig. Seine Hände rieben noch energischer und ein Glanz der Ehrfurcht legte sich auf seine Stirn.
„Der Springbrunnen!“, erklärte der Makler.
Das Ungetüm ragte in den Himmel. In einem Ausmass, für das man gut eine halbe Minute gebraucht hätte, um herumzulaufen, säumte der Brunnen die Mitte des Gartens. Er war mehrstufig und pyramidenförmig aufgebaut, mit allerlei Wasserspeiern und einer Nachbildung der Laokoon-Gruppe unter dem tosenden Wasser, das an allen Seiten hochspritzte und hinunter. Das Rauschen war ohrenbetäubend.
„Nun ja“, meinte der Makler, „Er ist etwas wild, aber durchaus nicht uninteressant. Wir wollten noch einen Handwerker bestellen, um das Wasser etwas zu besänftigen, so dass es ganz sachte hinuntertröpfelt. Eigentlich hätte er heute morgen kommen müssen.“
In diesem Moment stieg aus der Mitte des Brunnens, durchnässt und auf kniehohen Stiefeln ein Mann mit Latzhose hervor, der mit zwei Zangen in der Hand fuchtelte.
„Was machen Sie hier?“, fragte der Makler.
„Ich bin der Springbrunnenbauer“, sagte der Springbrunnenbauer.
„Sind Sie fertig?“
„Nun, nicht ganz, leider. Das tosende Rauschen dieser Quellen – ich kann es nicht anders sagen, es sprudelt aus mir hevor – ist ein Niagara an unbezähmbaren Flüssen und Strömen. Sehen Sie, selbst das Quellen dieser mäandrischen Verquirrlungen überschwemmt das brausende Wasser, in Schwällen spritzt es hoch und netzt die Statuen an. Wässrige Adern von Tropfen bilden sich an ihnen und perlen herab und schnellen im Kreis, sie wirbeln vorbei und schwellen an, es ist mit allen Wassern gewaschen, wenn man es so sagen darf.“
„Hm…“, machte der Makler und musterte seine Klienten, die sich daran gemacht hatten, das Kunstwerk zu betrachten. „Und Sie sind sicher, dass Sie ein professioneller Springbrunnenbauer sind?“
„Der professionellste, den es gibt, wenn ich so sagen darf.“
„So, so…“
„Die Idee für den wasserspeienden Brunnen quoll mir aus den Augen wie eine Krokodilsträne und feuchtete mein Antlitz mit einer Brise kühler Gischt an.“
„Und müssen Sie so reden?“, fragte der Makler.
„Ach, entschuldigen Sie, es wallt einfach so aus mir heraus, wallt, wallt manche Strecke und am Ende werde ich die Wörter, die ich gerufen habe, nicht mehr los. Es ist ein Malström an Verderbnis.“

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