Integrationslücke

Stefan war kein dummer Mensch.
Dumm war nur, dass er sich dessen nicht so sicher war.
Während einer Mathematikstunde starrten seine weit aufgerissenen Augen auf den Taschenrechner, der in seinen umklammernden Händen lag. Im Allgemeinen hätte man nicht von einer angespannten Atmosphäre sprechen können. Der Lehrer kritzelte etwas an die Wandtafel; zu sehen war er durch die vier Meter dicke, mit allerlei Fluchwörtern bekritzelte Plexiglaswand, die sich zwischen ihm und der ersten Reihe der Schüler befand, nur sehr schlecht.
Die Schüler lebten in ihrer eigenen Welt.
Stefan wusste nicht genau, was sie normalerweise wärend der Stunde taten, denn er konzentrierte sich normalerweise auf andere Sachen, doch wenn er es aus den Augenwinkeln betrachtete, musste er feststellen, dass alle seine Mitschüler über ihren Stühlen an einem Strick baumelten.
Nichts hätte Stefan weniger beunruhigen können.
Was ihn dagegen tatsächlich beunruhigte, war der Anblick, den sein Taschenrechner preisgab.
Er hatte vergessen, was er eingetippt hatte. Vermutlich irgendwelche undefinierbaren Integrale, wie er es oft während der Stunde tat, nur um aus Spass zu schauen, welche wagen Antworten ihm der Taschenrechner lieferte.
Mit seinem Taschenrechner verband Stefan eine besondere Beziehung.
Einerseits war er durch dick und dünn, durch Physik-, Mathematik-, Chemiestunden mit ihm gegangen. Andererseits hatten sie die Angewohnheit, einander zu necken. Stefan tat dies, indem er den Taschenrechner zum Stammeln brachte, der Taschenrechner umgekehrt, indem er Stefan manchmal ausrasten liess.
Aber diesmal hatte er es eindeutig zu weit getrieben.
Stefan sah auf den Bildschirm.
Langsam, ohne es zu glauben, drehte er den Taschenrechner auf den Kopf.
Dann klappte ihm die Kinnlade hinunter.
Das ging eindeutig zu weit.
Auf dem grauen Feld prangte ein Wort.
ESEL.

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