Das Heulen begann stärker zu werden. Ich wirbelte herum. Es war ein Luftzug, der mich erschreckt hatte. Verächtlich schüttelte ich den Kopf. Der Korridor lag in völliger Dunkelheit, schliesslich war niemand hier drin. Ich setzte meinen Weg fort. Ich musste im alten Haus die Katzen meiner Nachbarin füttern, die aufgrund eines Schlaganfalls vorübergehend im Krankenhaus lag. Die Nachbarin hatte ihr Haus nie verlassen, sie war geradezu besessen davon gewesen, und dieser erste unfreiwillige Auszug musste für sie eine ärgerliche Umstellung bedeuten. Meine Frau hatte mir deshalb angeraten, mich um die Katzen zu kümmern, damit sich die Alte keine Sorgen machen müssten. Als ich durch den Korridor streifte, roch es überall nach alten Menschen, die den Duft ihres Alterns in die Spannteppiche verwoben hatten. Auf der Suche nach der fehlenden Katze streifte ich durch die Räume, die riesig erschienen in der Dunkelheit, die sich noch aufzufalten und zu erweitern schien durch die tanzenden schwarzen Schatten, welche unverständliche und monströse Gegenstände warfen.
Wieder drehte ich herum, denn ich hatte das Geräusch erneut gehört. Es waren eindeutig keine Katzen, das verriet die Schwere und Heimlichkeit des Geräuschs, die es dennoch nicht leise machte. Ich änderte meine Richtung und ging langsam den Korridor zurück. Es wurde lauter und kam einem eigenartigen Flüstern gleich. Das Licht an der Decke flackerte manchmal auf und hinterliess für mehrere Minuten stockfinstere Wände. »Vielleicht hatte die Alte die Stromrechnungen nicht bezahlt«, dachte ich. Dann erkannte ich, woher das Geräusch kam. Ich stiess eine Tür auf, die knarrend aufschwang. Es drang aus einem Schrank, vor den ich mich zögerlich stellte. Es war ein grosser Wandschrank, gut doppelt so hoch wie ich und breit genug für drei Personen, die sich hineingezwängt hätten. Etwas lebte, bewegte sich darin. Die Deutlichkeit war unzweifelhaft und ich wusste nicht, was mich erwartete, was überhaupt erwartbar war. Schweissperlen pufften mein Gesicht, ich zitterte merklich und je länger ich zögerte, desto grausamer wurde die Qual und desto schwerer die Aufgabe, den Schrank zu öffnen. Jetzt kratzte es, es ribschte im Innern, als würde der Schrank gleich aufspringen und etwas mich hineinzerren, doch er blieb geschlossen. Ich riss die Augen auf, als ich begriff, was es war… stürzte hinaus, griff mir ans Herz, das so schnell schlug, bis es zu einem Ton angeschwollen war, meine Gänsehaut war so schmerzhaft, dass ich glaubte, ich würde mich häuten. Ich stürzte zu Boden und spürte in meinem Mark den schrecklichen Klang des kratzenden Stiftes, der in dicke Blätter kerbte. Dieser so ahnungsvolle Klang des Grauens, der nicht verhehlte, welcher Schrecken in diesem Schrank auf mich lauerte — der Autor, der dort schrieb, mit grinsendem Gesicht und bösartig spitzen Augenbrauen schrieb, der lachte und schrieb und lachte. Als ich stolpernd nach draussen gelangte, sank ich erschöpft gegen die Wand und die nahen Laternen vermochten mein Gemüt ein wenig aufzuhellen. Nach einigen Minuten war das Gefühl einer Röhre, die man in meine Kehle gerammt hatte, verschwunden und ich begann mich wieder als Besitzer meines Atems zu fühlen. Schnell verdrängte ich und schon lachte ich über die Vorstellung des Schreibers im Schrank, das so verängstigende Bild des bösartig lächelnden Autors, aber es war ein blasphemisches, abgründiges Lachen, ein hässliches Lachen, das mich selbst erschaudern liess bis in die Zehen, denn noch spürte ich in mir das Gefühl, Teil eines Niedergeschriebenen zu sein, spürte ganz leicht, dass ich nicht entronnen war — spürte meinen Leib: gekerbt in dicke Blätter.
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