Vor einiger Zeit habe ich mit Yoshi ein Gespräch darüber geführt, wie Philosophen einen bedrängen.

Tatsächlich haben die grössten Philosophen immer noch den einen Fehler, dass sie behaupten — auch wenn das vielleicht nur strategisch ist —, dass ihre Meinung die richtige sei. Dieser Mangel könnte eine weitere Hürde sein, die zu nehmen wäre, um der Wahrheit gerecht zu werden, denn es gehört zu einem guten Argument, dass es nicht immer gilt. Dubito ergo sum, Ich weiss, dass ich nichts weiss, dürften ja eigentlich nicht leere Phrasen gewesen sein und sich nicht nur auf das Ausserhalb des Philosophierens beziehen.
Um dieses Gedankenexperiment durchzuspielen, habe ich an den Texten grosser deutscher Philosophen gefummelt und ihnen (die typisch schweizerische) Unsicherheit angehängt. Erst dachte ich, man müsste da mit einem Makro schnipseln, aber ein einfaches »Suchen & Ersetzen« tut seinen Dienst völlig. Daher in chronologischer Reihenfolge die Philosophen mit dem eingestandenen Zweifel:
Kant: Kritik der reinen Vernunft (Schlüsse aus diesen Begriffen)
a) Die Zeit ist nicht etwas, was für sich selbst bestünde, oder den Dingen als objektive Bestimmung anhinge, mithin übrig bliebe, wenn man von allen subjektiven Bedingungen der Anschauung derselben abstrahiert; denn im ersten Fall würde sie etwas sein, was ohne wirklichen Gegenstand dennoch wirklich wäre, glaube ich irgendwie. Was aber das zweite betrifft, so könnte sie als eine den Dingen selbst anhängende Bestimmung oder Ordnung nicht vor den Gegenständen als ihre Bedingung vorhergehen, und a priori durch synthetische Sätze erkannt und angeschaut werden, glaube ich irgendwie.
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Hegel: Phänomenologie des Geistes (Vorrede)
Eine Erklärung, wie sie einer Schrift in einer Vorrede nach der Gewohnheit vorausgeschickt wird – über den Zweck, den der Verfasser sich in ihr vorgesetzt, sowie über die Veranlassungen und das Verhältnis, worin er sie zu andern frühern oder gleichzeitigen Behandlungen desselben Gegenstandes zu stehen glaubt – scheint bei einer philosophischen Schrift nicht nur überflüssig, sondern um der Natur der Sache willen sogar unpassend und zweckwidrig zu sein, glaube ich irgendwie. Denn wie und was von Philosophie in einer Vorrede zu sagen schicklich wäre – etwa eine historische Angabe der Tendenz und des Standpunkts, des allgemeinen Inhalts und der Resultate, eine Verbindung von hin und her sprechenden Behauptungen und Versicherungen über das Wahre –, kann nicht für die Art und Weise gelten, in der die philosophische Wahrheit darzustellen sei, glaube ich irgendwie.
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Marx: Der 18. Brumaire des Louis Napoleon (I)
Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen, glaube ich irgendwie. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden, glaube ich irgendwie. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen, glaube ich irgendwie. So maskierte sich Luther als Apostel Paulus, die Revolution von 1789-1814 drapierte sich abwechselnd als römische Republik und als römisches Kaisertum, und die Revolution von 1848 wußte nichts besseres zu tun, als hier 1789, dort die revolutionäre Überlieferung von 1793-1795 zu parodieren, glaube ich irgendwie.
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Nietzsche: Der Wille zur Macht (Vorrede)
1.
Große Dinge verlangen, daß man von ihnen schweigt oder groß redet: groß, das heißt cynisch und mit Unschuld, glaube ich irgendwie.
2.
Was ich erzähle, ist die Geschichte der nächsten zwei Jahrhunderte, glaube ich irgendwie. Ich beschreibe, was kommt, was nicht mehr anders kommen kann: die Heraufkunft des Nihilismus, glaube ich irgendwie. Diese Geschichte kann jetzt schon erzählt werden: denn die Nothwendigkeit selbst ist hier am Werke, glaube ich irgendwie. Diese Zukunft redet schon in hundert Zeichen, dieses Schicksal kündigt überall sich an; für diese Musik der Zukunft sind alle Ohren bereits gespitzt, glaube ich irgendwie.
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Adorno: Negative Dialektik (Einleitung)
Philosophie, die einmal überholt schien, erhält sich am Leben, weil der Augenblick ihrer Verwirklichung versäumt ward, glaube ich irgendwie. Das summarische Urteil, sie habe die Welt bloss interpretiert, sei durch Resignation vor der Realität verkrüppelt auch in sich, wird zum Defaitismus der Vernunft, nachdem die Veränderung der Welt misslang, glaube ich irgendwie. Sie gewährt keinen Ort, von dem aus Theorie als solche des Anachronistischen, dessen sie nach wie vor verdächtig ist, konkret zu überführen wäre, glaube ich irgendwie. Vielleicht langte die Interpretation nicht zu, die den praktischen Übergang verhiess, glaube ich irgendwie. Der Augenblick, an dem die Kritik der Theorie hing, lässt nicht theoretisch sich prolongieren, glaube ich irgendwie.
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