Random ist ein Wort, das nicht alle Schichten und Sprecher erreicht hat, das es noch nicht lange gibt und das es womöglich nicht lange geben wird. Dennoch wurzelt in diesem Anglizismus eine Bereicherung für das Denken, die uns die Sprache manchmal in ungewohnten Formen präsentiert. Vieles kann random sein, aber nicht alles. Von einem wissenschaftlichen Aufsatz in einer Debatte lässt sich etwa sagen: »Es war ja nicht schlecht gemacht. Aber ein wenig random.«
Weit gefehlt, wer darin ein Synonym für zufällig erkennte, random ist nicht zufällig, ist eben nicht zufällig, ist eben gerade nicht: zufällig. Random ist ein abwertender Ausdruck, der in der Deutschschweiz Relevanz hat, weil er eine sprachliche Ergänzung darstellt: Was das Schweizerdeutsche längst als Nomen mit eifach Öpis lexikalisiert hat, findet in random seine adjektivische Entsprechung. Pejorativ ist das Äquivalent von zufällig nie — zu sagen, zufällig sei ein abwertendes Wort mutet rückständig an —, aber das Wort ist kein Äquivalent von zufällig und es ist sogar noch pejorativer als eifach Öpis, weil das, was damit beschrieben wird, nicht dem Zufall unterliegt, sondern etwas anderem: dem überflüssigen Zufall, der Verstreuung ausserhalb der Ordnung, dem Ausserhalb-dessen-Stehenden, wo es herkommt. Dinge, die random sind, sind irrelevant in einem besonderen, kontextualisierten Sinn: Sie sind, in einer Funktion, in einem Kontext, in einem Diskurs überflüssig und fügen sich nicht in die Ordnung des bisherigen Diskurses. Sie sind die leichten Störungen, die den Diskurs begleiten. Dennoch sind sie keine so grossen Sonderbarkeiten: Es gehört zu einem Diskurs, einem Kontext, einer Debatte, dass in ihm etwas auftritt, das random ist. Jeden Tag zum Beispiel begegnen uns Dinge, die random sind, und es ist wiederum ein bestimmtes Gesetz oder eine strukturierte Ordnung, die das verlangen.
Dass dies abwertend gemeint ist, ist nur die erste Spur, die sich bald verliert. Denn im Ausdruck schwingt auch eine Ehrfurcht mit vor dem, was einbricht in die Weltordnung. Es scheint ein revolutionäres Moment in diesem Wort verkappt, ein Widerstand, der die Ordnung in Frage stellt, und deshalb kritisiert werden muss, aber zugleich auch die Möglichkeit einer völligen Alternative bietet und deshalb seinen Respekt bewahrt. Überflüssiger Zufall — das ist kein Begriff, der Sinn ergibt. Auf der einen Seite kann Zufall nicht überflüssig sein: Er stellt sich nicht die Frage: Wie viel Zufall ist genug?, denn es gibt keine Antwort darauf. Zufall ist nichts, das unserer Einschätzung bedarf, nichts, das normativ bewertet werden dürfte. Das Glück, ja, das Pech kann auch überflüssig sein, der Zufall? Nein.
Auf der anderen Seite ist Zufall immer überflüssig und zwar insofern man seine Reduzierbarkeit voraussetzt. Zufall ist nur Unwissen und Unwissen scheint immer überflüssig zu sein: Der Zufall ist der Müll, den der Determinismus nicht säuberlich aufgeräumt hat. Zufall ist nichts, was wünschenswert oder nützlich wäre, daher überflüssig.
In dieser Schwebe zwischen der Unmöglichkeit von überflüssigem Zufall und der Notwendigkeit von überflüssigem Zufall bewegt sich das Wort random. Alles, was random ist, wird dadurch zum Knoten in der Wohlgeordnetheit der Welt, verstärkt die Ordnung, indem sie sie untergräbt, und bietet eine Möglichkeit zur Kritik, die sich nicht auf den Inhalt selbst, sondern auf die Angemessenheit des Inhalts im Bezug auf einen spezifischen Kontext bezieht. Was hier random ist, kann andernorts grossartig sein: Nicht aller Zufall ist zwingend überflüssig, er kann nur — den Umständen entsprechen — überflüssig werden. Passiert eifach Öpis in starker Konzentration: Ein Klavier fällt vom Himmel, ein fliegender Elefant unterhält sich durch ein Schnurtelefon mit singendem Kaviar, dann nenn es random, und die Welt ist wieder richtig.
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