Für gewöhnlich halte ich mich zurück, nicht-fiktive Geschichten zu erzählen.
Zuweilen ist das Kriterium „nicht-fiktiv“ aber einfach unzureichend definiert, um die Mannigfaltigkeit des Lebens zu umfassen.
Manche Geschichten, die das Leben schreibt, sind sogar besser, als alle, die ich jemals machen könnte.
Eine davon nimmt ihren Anfang in der Zusammensetzung des heutigen Internets und ich muss davon berichten, weil ich Teil davon bin. Dieses neue Medium zeigt eine unscheinbare Kraft, eine Schnelligkeit, die Marshall McLuhan mit dem Begriff des Global Village prophezeit hat. Dieses Internet ist noch viel verworrener und rasanter als man so düster munkelt. Die Blogger scheinen die Fürsten eines inhaltlosen Reiches von Informationen und Spassvideos zu sein, aber sie sind noch viel mehr. Das Internet erweitert die vierte Gewalt um einen Medienträger und es, man kann sich sicher sein, tut das nicht extrem kontrolliert.
Das Internet, als vielleicht eine kommunistische Ersatzform für die heutige Bevölkerung, ist heute für Bewegungen verantwortlich, die man Twitter, Facebook, Flashmobs, WoW, Monopoly City Streets oder Buchtrailer nennt. Diese kreativen Meteoriten sind meiner Ansicht nach diskussionlos bereichernd für die Gesellschaft.
Beginnen wir mit dem ersten Beispiel.
Kanye West, in den Zeitungen aufgetaucht wegen seiner unbeschreiblich fehlgeratenen Einlage an den jüngsten MTV Music Awards, jagt durchs Internet mit seiner humpelnden Rhetorik. Siehe dazu diese Mashups, die mit geschriebenen Tools für jeden Nutzer selbst gekocht werden können.
Doch damit bleibt das Thema nicht lange den Printmedien fern. Kurz darauf bekommt nämlich die Meldung auftrieb, Barack Obama persönlich hätte sich zu Kanye West mit den Worten „He’s a jackass“ geäussert.
Das Internet antwortet am selben Tag mit dem T-Shirt-Aufdruck:
Zweites Beispiel.
Vor vier Tagen, am 14. September, bin ich zum ersten Mal auf folgendes Bild gestossen.
Die kraklige Nachricht eines Unbekannten toppt jeden Ausdruck von Lakonie. Der Spruch macht in wenigen Stunden, wie man es im Internet geometrisch und soziologisch nur mit Unbehagen bezeichnen kann, „die Runde“. Mitten im Wahlkampf, brisant und auf der politischen Seite der meisten Blogger (von der Piratenpartei wollen wir nicht anfangen) und wahrscheinlich auch Blogleser reitet der Spruch auf einer Welle von Begeisterung. Als bemerkenswert gilt dabei die Einfachheit der Botschaft, mit zwei A’s, zwei H’s, in stilloser Schrift und trivialer Alltagssprache geschrieben, die für viele Deutsche ihre Haltung zur Politik widerspiegelt.
Kurze Zeit später hat man einen riesigen Creative-Common-Und Alle so: „Yeaahh“-Merchandising-Act:
Mischt man nun die beiden Beispiele zusammen, kommt man ungefähr zu diesem Resultat:
Was das alles mit dem echten Leben zu tun hat?
Zu sehen im Video eines zu Merkels Rede versammelten Flashmobs, der jeder Satz der Kanzlerin mit Yeaahh kommentiert. Das ist eben Politik.
Sags hier: