Das unwirtliche Wetter hatte alle Menschen vertrieben und der nasse Asphalt spiegelte schillernd die Regenwolken. Das Auffliegen der Vögel, an denen Rico Haller vorbeischlich, erklang als ein Flappen. Vor ihm her trippelte eine blonde, kleine Frau, sie war noch nicht ganz vierzig und auffällig mager. Frau Schiefenthal gab sich Mühe, so natürlich wie möglich ihre Strecke zu gehen, trotzdem gerieten ihr immer wieder neugierige Blicke über die Schulter. Rico schüttelte den Kopf. So würde der Plan nicht funktionieren. Er drückte sich an die Häusermauern und spähte vorsichtig zu ihr hinüber und dann die Strasse zurück. Der Privatdetektiv wusste, wie man einem Verfolger auflauern konnte, er kannte die Tricks und die übermässige Geduld, deren es bedurfte. Die meisten seiner Aufträge bestanden darin, Stalker abzufangen, wenn er nicht gerade selbst einem vermeintlich untreuen Ehemann nachstellen musste, und er konnte von sich behaupten, es in dieser Tätigkeit zu einer gewissen Meisterschaft gebracht zu haben.
Weit hinten sah er zwischen den säuberlich gestutzten Hecken Metall aufblitzen. Ricos Schultern spannten sich an. Das war das Zielobjekt, von dem Frau Schiefenthal sich fürchtete: Ein Verfolger, der sie auf dem Kickboard bedrängte. Er bedrohte sie nicht, aber er stellte ihr nach und verängstigte sie mit seiner schweigenden Hartnäckigkeit. Die alleinstehende Frau litt besonders an dieser Bedrängung, weil sie vor kurzem eine Plagiatsaffäre ins Rollen gebracht hatte. Sie hatte — sie war selbst Wissenschafterin —, einer Zeitung verraten, dass ein aufstrebender Politiker namens Stolzer in seiner Abschlussarbeit riesige Passagen abgeschrieben hätte. Der Fall wurde landesweit bekannt und Stolzer ins Kreuzfeuer genommen. Wie so viele Menschen, die plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerieten, wurde auch sie zunehmend histerisch und hielt den Kickboardverfolger für einen rachesinnenden Anhänger des Politikers.
Rico versuchte, etwas von seinem Beobachtungsposten aus zu erkennen, aber der Mann war von bemerkenswerter Durchschnittlichkeit. Die schwarzen, dichten Haare, die ihm über die Ohren wehten, und der weisse Mantel waren die einzigen Merkmale, die er sich einprägen konnte. Er kam näher. Rico atmete tief durch und schlug sich aufmunternd auf den Wanst. Als der Verfolger auf seinem Kickboard vorbeirollte, sprang er aus seinem Versteck und wollte ihn zu Boden stürzen, doch jener, als er den Detektiv sah, erhöhte unbeeindruckt und mit kräftigen Tritten sein Tempo. Nach einigen Metern musste Rico stehen bleiben. Er stützte die Hände auf die Knie und sah mit pfeifender Lunge dem Verfolger nach. Wie er diese sinnlosen, ermüdenden Aufträge hasste. Sein Handy klingelte. Ein Notfall. Im Zoo?
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