Sokrates. Du scheinst müde und hungrig zu sein, mein lieber Phagos.
Phagos. Das ist wahr, Sokrates, meine Reise war lang. Erst heute Morgen habe ich Athens Stätte betreten.
Sokrates. Ist es nicht so, mein Freund, dass der Hunger mit der Müdigkeit die grösste Gemeinsamkeit aufweist?
Phagos. Erkläre mir das.
Sokrates. Hunger ist doch wohl ein grässliches Gefühl?
Phagos. Das grässlichste.
Sokrates. So sehr der Hunger grässlich, so erfreulich wird das Essen, das nichts anderes als das Stillen des Hungers ist.
Phagos. Sehr richtig.
Sokrates. Und da der Hunger mit der Zeit zunimmt, so folgt daraus, dass es dem grossen Glück förderlich wäre, lange nichts zu essen, bis der Hunger gross genug ist.
Phagos. Jawohl.
Sokrates. Und da dasselbe vom Schlaf zu sagen ist — so ist es der schnellste Weg zum Glück, weder zu essen noch zu schlafen?
Phagos. Mhm.
Sokrates. Bist du nicht auch schon in der Nacht aufgewacht? Und war dir dadurch nicht die Nacht und der Schlaf viel klarer ins Bewusstsein getreten, als wenn du durchgeschlafen hättest?
Sokrates. Ist es nicht so, dass das Essen sich durch das Ausmass der Hungerns verbessert, das Schlafen durch die Unruhe, die wach hält?
Sokrates. Und da dem so ist, müsste es doch das Beste sein, statt eine Nacht lang zu schlafen, oder eine Mahlzeit zu essen, nur viele, kurze Nickerchen zu machen und kleine Bissen zu verzehren?
Sokrates. Wirst du also nicht zugeben, dass es der Glückseligkeit am ehesten zureichte, das Essen in seine kleinsten Teile zu spalten und den Schlaf in seine kürzesten Phasen zu trennen, so dass man im Stehen und Liegen, in der Schlacht und auf dem Marktplatz immerzu ein wenig schläft und ein wenig isst, ohne sich jedoch in grossen Portionen satt zu knabbern, noch wach zu schlafen?
Sokrates. Würdest du, Phagos, daher nicht behaupten, dass das kleine Mass in jedem Fall die Müdigkeit und den Hunger bei Stange hält und somit für das Essen und den Schlaf am zuträglichsten sind?
Sokrates. Phagos?
Sokrates. Phagos?!
Sokrates. Es wäre zumindest höflich, nicht so viele Pinienkerne auf einmal in den Mund zu nehmen, damit du mir noch Antwort geben könntest.
Phagos. Verzeih, werter Sokrates, der Hunger…!
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