Der schreibende Gorilla – Des Nekrophilen einziger Fall. Teil 8.

Der schreibende Gorilla

»Wussten Sie, dass Giraffen Kraftanstrengung benötigen, um sich hinunterzubeugen? Das vorzustellen, ist mir immer sehr schwer gefallen. Ich meine, wir können unseren Kopf einfach fallen lassen. Die müssen ihn nach unten drücken… Ich kann es mir nicht vorstellen«, presste der Kickboardfahrer hervor, während Ricos Hand seine Wange auf den Boden drückte. Sie waren vor dem Giraffengehege, wo ihn Rico erwischt hatte. Eigentlich hatte er Stolzer hinterhetzen wollen, doch dieser war längst über alle Berge, als sie ihn aus dem Käfig befreit hatten. Stattdessen hatte er den Verfolger erwischt.
»Kann ich mir auch nicht vorstellen.«
»Ja…« Der Mann seufzte. Der Detektiv zwängte ihm die Hände auf den Rücken und kniete sich auf seinen Hintern, damit er nicht wieder entwischen konnte. Das Kickboard lag etwas abseits.
»Weshalb tragen sie einen Chemikermantel?«
»Ich bin Chemiker, habe Chemie studiert, geliebt und bin auch heute noch meist im Labor. Wenn ich draussen kurz meinen Unterhalt verdiene, ziehe ich den praktischen Kittel doch nicht aus.«
»Ihren Unterhalt?«
»Glauben Sie, ich fahre zum Spass Kickboard?«
»Weshalb machen Sie es dann?«
»Um Geld zu verdienen, habe ich doch gesagt.«
»Wer bezahlt Sie?«
Der Chemiker schwieg.
»Warum haben Sie Frau Schiefenthal verfolgt?«, knurrte Rico eindringlicher.
»Stolzer wollte es so. Er bezahlte mich und wollte, dass ich ihr Angst einjage, weil sie den Plagiatsskandal aufgedeckt hat.«
»Haben Sie sie umgebracht?«
»Nein. Nein, das hat jemand anderes getan. Aber vermutlich im Auftrag von Stolzer.«
Rico seufzte und beobachtete die Giraffen, die mit langen, blauen Zungen nach den Bäumen grabschten.

»Was haben Sie im Leichenschauhaus gemacht?«
»Ich musste im Auftrag von Stolzer die Beine der Frau abtrennen.«
»War etwas an ihnen speziell?«
»Ja, es war eklig. Sie waren völlig behaart.«
Rico nickte. »Sie hatte sich eben zum Affen gemacht«, murmelte er.
»Ja«, antwortete der Mann gepresst. »Frau Schiefenthal hatte sich in einem Artikel selbst zum Affen gemacht und Stolzer bekam Angst. Er musste unbedingt vertuschen, was sie vorhatte und die affenartigen Veränderungen von ihrer Leiche entfernen.«
»Aber weshalb sollte das Stolzer stören, wenn sich die Frau zu einem richtigen Affen machte? Ist da was Schlimmes dran?«
»Für Stolzer ja, denn er hatte den Plagiatsfall mehr oder weniger im Zaum halten können. Bekannt war nur, dass er abgeschrieben hatte. Dass die abgeschriebene Arbeit davon handelte, wie man menschliche Stammzellen zu tierischen umwandelte, hielt er unter Verschluss. Dafür gab es einen guten Grund, denn der Mann, von dem er es abgeschrieben hatte, durfte auf keinen Fall die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, denn sonst wäre ein lange verstecktes Verbrechen aufgeflogen. Frau Schiefenthal wurde von mir verfolgt, damit sie es nicht weitererzählte. Die Frau war klug. Sie übte an sich jenes Experiment aus, das Stolzer zerstören würde, weil es so ganz bestimmt an die Öffentlichkeit gelangen würde…«
»Sie machte sich selbst zum Affen, um Stolzers früheres Verbrechen aufzudecken?«
»Ja, sie gehörte damals zum Wissenschaftsteam, das in diesem Bereich tätig war. Sie, Stolzer und der Mann, von dem Stolzer abgeschrieben hatte.«

Die Giraffen unterhielten sich wohl in Infraschallfrequenz, denn sie sahen einander belämmert und reglos in die Augen.
»Der Mann hiess Omga Auerbach.«

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